Ich denke, dass es männlichen Entscheidungsträgern gut tun würde, sich mal kritisch mit Macht auseinander zu setzen.
Shai Hoffmann ist Sozialunternehmer, Speaker, Moderator und Aktivist. Und er setzt sich mit allem, was er tut, für ein inklusiveres Miteinander ein. Und es gibt ein paar Punkte in seinem Lebenslauf, die erklären, warum ihm diese Themen so wichtig sind.
Shai hat israelische Wurzeln und beobachtet mit großer Sorge, wie sich in Deutschland eine judenfeindliche Stimmung breit macht. Er hat die Schule zunächst mit dem Realschulabschluss verlassen, später aber noch ohne Abitur ein Studium absolviert/nachgeholt. Weil es ihm wichtig war. Weil er was für sich tun wollte. Die Kraft, die in uns allen steckt und auch das Thema Chancengerechtigkeit treiben ihn dementsprechend um. Und er lebt mit einer Niere, die sein Vater ihm gespendet hat. Dankbarkeit für das, was ist, das Kümmern um andere, hinzuschauen, wer gerade Hilfe benötigt – all das vermittelt er anderen und das merkt man auch in diesem Interview. Übrigens hat Shai mal als Sänger gearbeitet. Und ist dann als Schauspieler durchgestartet – bei „GZSZ“ und bei „Verbotene Liebe“. Aber die Nieren-OP hat ihm gezeigt, dass andere Ziele, andere Dinge für sein Leben wichtiger sind. Und deshalb macht er heute, was er macht.
Janine Steeger:
Wie erlebst Du Frauen und Männer im direkten Vergleich?
Shai Hoffmann:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen oft ganz anders an Dinge herangehen, als ich. Diese oft sehr pragmatische Herangehensweise von Frauen, die ergänzt dann aber auch oft das gemeinsame Ziel, das man verfolgt. Aus meiner eigenen Gründung mit einer Frau kann ich berichten: Ich hatte mit ihr eine Frau an meiner Seite, die an so viele Dinge gedacht hat, an die ich nie gedacht hätte. Sie war zum Beispiel diejenige, die mich immer mal wieder darauf hingewiesen hat, dass die Gremien, mit denen wir arbeiten in Bezug auf das Geschlecht ausgeglichen sein sollten. Sie hatte da einen Weitblick und war eine Bereicherung für unser Führungsduo.
Janine Steeger:
Was muss sich Deiner Meinung nach verändern?
Shai Hoffmann:
Ich würde mir wünschen, dass wir es anders angehen. Ich glaube, dass diese gewachsene Macht, die gewachsenen Machtstrukturen einfach sehr männlich und weiß dominiert sind. Man muss sich doch die Frage stellen: Wie sähe eine Welt aus, in der nur Frauen Bundeskanzlerin und Präsidentinnen werden? Hätten wir dann so viel Krieg, so viel Hunger auf der Welt? Ich glaube das nicht, und stelle das als These in den Raum.
Janine Steeger:
Ich finde es ja spannend, dass wir zwar deutlich weniger Gründerinnen im Start-Up-Bereich haben, aber insbesondere der Social Business Bereich stark weiblich geprägt ist. Wie interpretierst Du das?
Shai Hoffmann:
Ich hoffe sehr, dass gerade das Thema Social Business und damit vor allem Gründerinnen in diesem Land, nach vorne katapultiert werden. Offenbar konnten im Koalitionsvertrag gerade gute Ergebnisse erzielt werden. Das stimmt hoffnungsfroh.
Janine Steeger:
Mit welchem Rollenbild bist Du aufgewachsen, was war präsent für Dich?
Shai Hoffmann:
Mit dem Klassiker in vielen Migrantenfamilien. Mama Hausfrau, kümmert sich um die Kinder, und der Papa war den ganzen Tag auf der Arbeit.
Janine Steeger:
Wie hältst Du es jetzt in Deiner eigenen Familie und Partnerschaft?
Shai Hoffmann:
Wir versuchen es tatsächlich sehr paritätisch aufzuteilen. Mir war es wichtig von Anfang an lange in Elternzeit zu sein und viel mitzubekommen vom Kind. Ich wollte es auch unbedingt anders machen, als ich es früher vermittelt bekommen habe. Weil ich dieses Rollenbild für antiquiert halte und meine Mutter auch unglücklich war in ihrer Situation. Und am Ende auch mein Vater. Auch, weil er super viel verpasst hat von uns Kindern.
Und ich versuche mich auch wirklich um alles zu kümmern, worum meine Freundin sich auch kümmert. Ich wechsle Windeln, wir stehen beide abwechselnd nachts auf. Aber dieses Quäntchen mehr Organisation macht sie dann doch. „Hat er eine Wechselhose dabei für die Kita? Nächste Woche ist Laternenumzug, hab ich in den Kalender eingetragen.“ Meine Freundin hat ein anderes Level an Mental Load als ich, wenn es um die Dinge rund um die Kinderorganisation geht. Also diese ganzen Sachen, die so wie nebenbei erscheinen, das macht sie einfach und ich habe das offenbar weniger im Blick. Und das bringen Frauen dann ja eben nicht nur im privaten ein, sondern auch im Berufsleben. Und die Frage ist: Wie wird das bewertet? „Ach, Du machst Dir immer so viele Gedanken, sei mal lockerer!“ Oder wird das als Stärke gewertet und gefördert?
Janine Steeger:
Was braucht es in Deinen Augen, damit Frauen es häufiger in Führungsebenen schaffen?
Shai Hoffmann:
Ich denke, dass es männlichen Entscheidungsträgern gut tun würde, sich mal kritisch mit Macht auseinander zu setzen. Das passiert noch viel zu selten, sondern wird so, wie es ist, einfach als gegeben hingenommen. Wir müssen doch mal fragen, warum gewisse Menschen an gewissen Positionen sitzen und ihnen auch ähnliche Menschen folgen. Führungspersönlichkeiten reproduzieren sich ja in irgendeiner Form selbst. Allen DAX Unternehmen mal einen machtkritischen Workshop zu sponsern, fände ich eine ziemliche coole Crowdfunding-Idee. Dann würden sich vielleicht viel mehr Männer reflektieren und sich nach ihrer intrinsischen Motivation fragen. Aber solange das nicht funktioniert, brauchen wir die Quote.
Janine Steeger:
Egal in welcher Position. Frauen beziehen Stärke durch Vulnerabilität. Wo kann Verletzlichkeit zur Stärke werden?
Shai Hoffmann:
Ich glaube überall dort, wo Persönlichkeiten ausgebildet werden. Empfindsam sein ist ja etwas ganz Wertvolles und fehlt leider zu großen Teilen vielen männlichen Entscheidungsträgern.
Janine Steeger:
Frauen sind kreativ …
Shai Hoffmann:
Frauen sind ganz häufig die heimlichen Leader. Und sie verpacken das dann kreativ, damit der Chef ein gutes Gefühl hat. Und das „heimlich“ ist das Problem. Frauen müssen viel sichtbarer werden und ihre eigenen Ideen auch als genau das verkaufen, was sie sind. Großartige Ideen einer Frau. Allerdings ist selbst die beste Idee einer Frau bedeutungslos, wenn der – oft weiße, männliche – Chef nicht auch seine Privilegien und Egoismen hinterfragt und den Platz auf der Bühne frei macht.
Janine Steeger:
Gerade deshalb gibt es ja futurewoman.de und auch dieses Buch. Was hast Du gedacht, als wir Dir die Thesen zugeschickt haben?
Shai Hoffmann:
Zuerst habe ich gedacht: Das ist aber krass zugespitzt. Und es klang auch so nach „Frauen sind die besseren Menschen“.
Janine Steeger:
Das ist lustig und interessant. Ich glaube, viele Männer fühlen sich angegriffen, allein durch den Titel. Dabei geht es uns ja um ein gleichwertiges Miteinander, mit dem besten von allen Beteiligten.
Shai Hoffmann:
Deshalb habe ich ja auch zugesagt, weil ich dann verstanden habe, dass auch der respektvolle Diskurs darüber hoffentlich zu einer gleichberechtigten Gesellschaft führt. Und weil ich finde: Wir müssen uns vor allem in einer Demokratie damit auseinander setzen. Und ich wünsche mir ganz grundsätzlich an so vielen Stellen eine größere Repräsentanz von Frauen und zwar dann auch bitte von allen Frauen; Women of Color, Frauen mit Behinderung etc. Wir brauchen viel diversere Blickwinkel auf die Herausforderungen unserer Zeit, denn nur so wappnen wir uns für eine sichere Zukunft, in der sich jede und jeder entfalten kann.
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